„50 Obstbauinteressenten versammelten sich im neurenovierten Saal des Josephle, um einen Verein zur Hebung des Obstbaues in hiesigen Bezirken zu gründen. Unter anderem sprach auch der Oberamtstierarzt Ostertag über die Vorteile und den Nutzen eines Vereins zur Hebung des Obstbaues. Im Detail ging dann der Spezialist in Sachen Obstbau, Lehrer Haas, auf die Obstzucht ein. Es wurde ein Bezirks-Obstbauverein gegründet, dem als Vorstand Lehrer Haas, einstimmig gewählt, vorstand. Weiteren acht Ausschussmitgliedern wurde die Ausarbeitung der Statuten übertragen.“ – so zu lesen in der Rems-Zeitung im August 1884. Die Statutenberatung fand dann am 8. Oktober 1884 statt.
Der Obstbau gewinnt um die Mitte der 19. Jahrhunderts seiner wirtschaftlichen Bedeutung wegen und als Ausweichkultur für unrentablen Weinbau verstärktes Interesse. Der große Bedarf an Tafel- und insbesondere auch an Mostobst machte ständig Einfuhren aus benachbarten Staaten notwendig und ließ eine Ausweitung der einheimischen Produktion erstrebenswert erscheinen. So wurden z. B. Schwäbisch Gmünd im Jahre 1891 1080 Tonnen von außen zugeführt. Der römische Schriftsteller Tacitus schrieb um 100 n. Chr. über unseren Obstbau ein vernichtendes Urteil. Über die Nahrung der Deutschen schreibt er: „Die Speisen sind einfach: Wildes Obst, frischen Wildbret oder geronnene Milch. Um ihren Hunger zu stillen, braucht es weder eine feinere Zubereitung noch ausgesuchte Gewürze. Dem Durst gegenüber zeigt der Deutsche nicht dieselbe Mäßigung; unterstützt man seine Trinksucht, schafft man ihm so viel zu trinken als sein Herz begehrt, so wird man ihn gewiss leichter durch seine Laster als durch Waffengewalt besiegen.“
In der Fachzeitschrift „Obstbau“ ist im Novemberheft 1891 davon zu lesen: „Das beste Mittel gegen das Laster Trinksuch ist die Gewöhnung an den milden, unschädlichen Obstmost.“ Die Trinksucht sei vor allem in jenen Gebieten am geringsten, in denen die Bevölkerung als Hauptgetränk Obstmost trinkt. Es war ein Fehler, dass die alten Deutschen sich an ihrem wilden Obst die Zähne ausbissen, anstatt es zu veredeln, regelrecht anzubauen und auch zu Obstwein zu verwerten. Um 1650 wurde die Bedeutung des Obstmostes verboten, hauptsächlich um seine Verwendung zur Vermischung mit Wein zu verhindern. Später wurde Most als Hauptgetränk erlaubt; der Verkauf und Ausschank wurde erst ab Oktober 1735 erlaubt.
Nach 1870 interessierte man sich lebhaft wieder für den Obstbau. Schon damals wurden da und dort Obstbauvereine gegründet, sogar auf der Alb, wo bis dahin nur der Vogelbeerbaum stand. Die Pflege des Obstbaues erwies sich als lohnend. 1880 wurde der Württembergische Obstbauverein gegründet, der die Gründung zahlreicher Orts-und Bezirksvereine bewirkte, so auch in Schwäbisch Gmünd. Der 1884 in Schwäbisch Gmünd gegründete Verein dehnte sich bald über den ganzen Bezirken aus. Bald waren es 220 Mitglieder. Auch wurde die Zeitschrift „Der Obstbau“ verbreitet. Für den Obstbau hat die Regierung bei uns am meisten unter König Wilhelm I. getan. Das ganze Land wurde mit passenden Obstsorten und mit fachmännisch ausgebildeten Baumwarten versorgt. Trotz aller Förderung geschah 1830 bis 1870 nicht überall das, was man hätte erwarten können. Wohl wurde der Obstbau von Freunden immer gepflegt, so in Heubach, Waldstetten und Iggingen. Dort waren Männer, die es verstanden, für die Obstbaumzucht zu begeistern. Aber in den meisten Gemeinden befanden sich die Bäume in einem üblem Zustand. Dem Obst schrieb man nur einen vorrübergehenden Wert als Brotzusatz bei. Die Chronik berichtet auch aus dem Vereinsgründungsjahr 1884 über die Verwertung der gefangenen Maikäfer. Die Sammelkosten beliefen sich auf 1,80 Mark je Zentner, der Futter- und Düngerwert 2,60 - 3,00 Mark. Die Käfer wurden bei der Anlegung von Komposthaufen unter Beimengung von Gips oder Eisenvitriol verwendet. Die Fa. Wolff in Heilbronn verarbeitete 301 Zentner zu Maikäfermehl. Als Schweinefutter enthält es 38% verdaulichen Eiweiß und 10% Fett, als Dünger 8,9% Stickstoff und 2,4% Phosphorsäure.
Die erste Bezirksobstbauausstellung fand 1885 statt; weitere Ausstellungen folgten 1888 und 1904. Aus Anlass des Bezirksfestes des 1835 gegründeten Landwirtschaftlichen Bezirksvereines fand am 21. September 1907 eine große Obstausstellung statt. Es wurden 1200 Teller verschiedener Obstsorten und Trauben im Gartensaal des Stadtgartens Schwäbisch Gmünd ausgestellt. Die trotz der geringen Obsternte sehr reichlich aus dem Bezirk Gmünd beschickte Ausstellung erfreute sich eines so zahlreichen Besuches, dass der Verkehr in den Gängen öfters anhaltend stockte. Bemerkenswert erscheint noch, dass im Festzug anlässlich des Bezirksfestes 51 landwirtschaftliche Dienstboten mit marschierten, die mindestens 6 Jahre bei derselben Herrschaft vorwurfsfrei dienten. Die Glanzpartie des Zuges bildeten zwei Festwagen von Heubach und Oberbettringen. Der Bettringer Wagen war mit Gaben der Oberbettringer Weinberge garniert. Das nächste große Ereignis war am 26. September 1909 die 25 Jahrfeier. Über die Mitglieder der Einzelvereine existierten verlässliche Daten von 1913. Der Bezirksverbandbestand damals aus 22 Ortsvereinen mit 932 Mitgliedern.
Gmünd 138 Oberbettringen 27
Bargau 31 Rechberg 46
Bartholomä 49 Reichenbach 32
Göggingen 36 Straßdorf 68
Herlikofen 28 Täferrot 32
Horn 18 Unterbettringen 26
Lautern 43 Unterböbingen 26
Leinzell 23 Waldstetten 75
Lindach 35 Weiler 50
Mögglingen 43 Winzingen 25
Mutlangen 50 Wißgoldingen 31
Die Aktivitäten des Bezirksverbandes und der Ortsvereine haben sich im Wandel der Zeiten immer den Notwendigkeiten angepasst. So existierte z. B. von 1918 bis 1921 eine Obstbauverwertungsgennossenschaft. Es mussten immer wieder tatkräftige Männer gefunden werden, die nach Rückschlägen dem Bezirksverband neuen Schwung gaben. So waren 1920 nach dem 1.Weltkrieg Reallehrer Butz und 1947 nach dem 2.Weltkrieg Hans Wiedmann entscheidende Initiatoren.
Die Blütezeit des bäuerlichen Obstbaues ging nach dem 2.Weltkrieg mit dem Verlust der Absatzgebiete in Mittel- und Ostdeutschland verloren. Obst aus klimatisch günstigen Anbaugebieten in anderen Ländern drängte in besserer Qualität auf den deutschen Markt. Im Obstbauland Baden-Württemberg sollte mit dem Generalobstbauplan von 1957 eine Umstellung von extensiven zum intensiven Obstbau mit besseren Qualitäten gefördert werden. In dieser Zeit wurden in unserem Land 17.000 ha Hochstammobstbau gerodet und dafür Intensivobstanlagen neu angepflanzt.
In dieser Zeit erfolgte auch ein Umbruch in den Obstbauvereinen. Früher waren meisten Landwirte, Gütlesbesitzer und auch Obstliebhaber mit Hausgärten Vereinsmitglieder. Daher lag der Schwerpunkt der Vereinsarbeit bei obstbaulichen Fragen, wie Schnitt, Sortenkunde, Düngung und Pflanzenschutz. Mit der geringer werdenden Bedeutung des Obstbaues und dem steigenden Lebensstandard wurde die Vereinsarbeit um gartenbauliche Fragen wie Blumenschmuck, Ortsverschönerung, Gartengestaltung, Pflege von Rasen, Gehölzen, Stauden und Sommerblumen erweitert. Die Vereinsnamen wurden zu Obst- und Gartenbauverein geändert. Die rückläufige Mitgliederzahl bei den Vereinen konnte gestoppt und in einen langsamen Aufwärtstrend gebracht werden. Lehrfahrten und auch gesellige Veranstaltungen spielen bei vielen Vereinen eine große Rolle. Jeder Verein hat andere Schwerpunkte gesetzt.
Der Bezirksverband für Obst-und Gartenbau ist der Dachverband der angeschlossenen örtlichen Vereine. Der Bezirksverband führt jährlich eine Lehrfahrt für solche Vereine durch, die keine eigene Fahrt machen. Bei diesen Lehrfahrten werden fachliche und kulturelle Objekte besucht.
Die Jahreshauptversammlung des Bezirksverbandes wird jährlich in einer anderen Gemeinde der örtlichen Vereine durchgeführt. Der Besuch dieser Veranstaltung, zu der namhafte Redner gewonnen werden können, ist gut.
Keine Gemeinde sollte auf die segenreiche Arbeit der örtlichen Obst- und Gartenbauvereine verzichten müssen. Im Bewusstsein der heutigen Umweltprobleme kommen auf die Ortsvereine und auf den Bezirksverband wichtige Aufgaben zu.